Das Bild nach dem Anschlag auf Trump: Warum es sich für die Geschichte etabliert hat
Es gibt Bilder, die muss niemand sehen, um sie doch ganz klar vor dem inneren Auge zu haben. Ein paar Stichworte reichen aus: Der erschossene US-Präsident John F. Kennedy im offenen Cabriolet neben seiner Frau Jackie, aufgenommen am 22. November 1963 in Dallas. Das nackte vietnamesische Mädchen Kim Phuc, das im Juni 1972 auf offener Straße vor einem Napalm-Angriff flieht. Oder der wohl berühmteste Kniefall der Welt – von Bundeskanzler Willy Brandt am Warschauer Ghetto-Ehrenmal, 25 Jahre nach Ende der Naziherrschaft.
Die Aufnahmen zählen zu den bedeutsamsten der jüngeren Menschheitsgeschichte. Sie haben sich in das Weltgedächtnis eingebrannt. Diese drei historischen Momente entfalten ihre Wirkung aber nicht nur durch die extrem inhaltlich aufgeladene Symbolsprache: Der getötete mächtigste Mann der Welt, ein unschuldiges Mädchen als Opfer eines grausamen Krieges, die tiefe Demut eines Tätervolk-Oberhauptes gegenüber den Holocaust-Opfern.
Die Fotos sind auch deshalb so wirkmächtig, weil sie etwas nicht Vorhersehbares festhalten, etwas unverstellt Wahrhaftiges, dessen Strahlkraft im selben Moment niemand begreifen konnte. Die Fotografen nicht, die übrigen Beteiligten vor Ort wohl noch viel weniger.
Ein unerwartetes Ereignis
An jenem Sommertag vor 61 Jahren in Dallas hatte es – nach allem was man bis heute weiß – keinerlei Hinweis auf ein Mordkomplott gegen den US-Präsidenten gegeben. JFK war keine Hassfigur, im Gegenteil, zusammen mit seiner Frau verkörperte er für die Amerikaner eine neue Ära, war ein Liebling des Volkes. Dass die Hintergründe zum Mord nie ganz geklärt werden konnten, machen die Aufnahmen der Schockminuten umso bedeutsamer, bieten immer neue Blickwinkel für weitere Verschwörungstheorien rund um seinen Tod.
Ein ikonisches Bild entsteht
So tritt Trump nach dem Attentat auf. Viele verschiedene Winkel sind von Fotografen aufgenommen worden. Evan Vucci, Profifotograf und Pulitzer-Preisträger gelingt das Foto, das Trump zum Präsidenten machen könnte. Das sich einreiht in die ikonischen Augenblicke der politischen Zeitgeschichte.
Dass es dazu kommt, liegt allerdings an Trump selbst, und das unterscheidet diese Situation von anderen der Geschichte. Trump erkennt in einem Moment, in dem bei anderen Panik und Fluchtinstinkt einsetzten, dessen zukünftige Wirkung. Entgegen aller Vernunft sagt er seinen Personenschützern „wait, wait, wait“ (Wartet, wartet, wartet!) – und reckt sich, am Ohr blutend, zur Kampfgeste empor.
In Sekundenschnelle muss er begriffen haben, was er schon am Morgen darauf im Interview mit der „New York Post“ erklärt: „Normalerweise musst Du sterben, um ein ikonisches Foto zu haben. Durch Glück oder durch Gott – und viele Leute sagen, es war Gottes Werk – bin ich noch hier.“ Trump ist insofern kein John F. Kennedy, schon allein dadurch, dass er lebt. Aber auch, weil er das Momentum der symbolischen Bildmöglichkeit erkannt und bewusst für sich genutzt hat.
Historische Bilder, die sich eingeprägt haben
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