- Titular: Depressionen, ADHS und Co.: Die Schatten der Überdiagnosen
- Überdiagnosen: Sind Depressionen und ADHS ein Symptom der Zeit oder der Erweiterung von psychiatrischen Kategorien?
- Die Schatten der Überdiagnosen: Depressionen, ADHS und die Frage nach der psychischen Labilität der jungen Generation
Titular: Depressionen, ADHS und Co.: Die Schatten der Überdiagnosen
Die Zahl der Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, steigt kontinuierlich an. Depressionen, ADHS und andere psychiatrische Diagnosen werden immer häufiger gestellt. Doch hinter dieser Entwicklung verbirgt sich ein Problem, das immer mehr Menschen betrifft: die Überdiagnosen. Viele Menschen, die tatsächlich an einer psychischen Erkrankung leiden, werden fälschlicherweise mit einer anderen Diagnose versehen. Dies hat enorme Folgen für die Betroffenen, die falsche Behandlungsmethoden erhalten und ihre tatsächliche Erkrankung nicht adäquat behandelt wird. In diesem Artikel werden wir die Schatten der Überdiagnosen beleuchten und analysieren, was dahintersteckt und wie wir diesem Problem begegnen können.
Überdiagnosen: Sind Depressionen und ADHS ein Symptom der Zeit oder der Erweiterung von psychiatrischen Kategorien?
Wenn wieder einmal ein Student seine Arbeit nicht abgibt und sich auf eine depressive Störung oder ADHS beruft, frage ich mich, ob die jungen Leute heute psychisch labiler sind als früher. Nicht, dass früher jeder seine Arbeit abgegeben hätte – aber die Begründungen sind neu.
Der Sozialpsychologe Jonathan Haidt glaubt, dass Studierende wirklich psychisch labiler geworden sind. Er führt das auf Smartphones und soziale Medien zurück. Ich bin mir da nicht so sicher.
Viele Studierende hatten auch schon früher Probleme, einer Vorlesung aufmerksam zu folgen. Andere stürzten von einer Krise in die nächste. Aber seit den 80ern haben sich die psychiatrischen Kategorien stark erweitert. Zum Beispiel die Depression: Früher wurde sie nur dann diagnostiziert, wenn krisenhafte Symptome wie Niedergeschlagenheit, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug, Zukunftsängste etc. nicht auf eine gewöhnliche Ursache zurückzuführen waren, wie etwa vom Partner verlassen worden zu sein oder eine wichtige Prüfung nicht bestanden zu haben.
Heute hingegen erfüllen solche Lebenskrisen das rein symptomorientierte Kriterium einer Depression. Die Ausweitung der Krankheitsbilder hat aber auch ihre Schattenseiten. Die Pathologisierung gewöhnlicher Traurigkeiten und Krisen führt zu Überdiagnosen und teilweise unnötigen medikamentösen Behandlungen.
Zudem wird den Betroffenen signalisiert, dass sie ihre Schwierigkeiten nicht selbst bewältigen können. Damit wird ihnen auch eine Möglichkeit genommen, krisenhafte Situationen selbst zu überwinden und daraus Selbstvertrauen zu schöpfen.
Die Schatten der Überdiagnosen: Depressionen, ADHS und die Frage nach der psychischen Labilität der jungen Generation
Die Generation „Trau-mich-nichts“ Smartphones verändern die Kindheit. Wer zu unerklärlicher Unkonzentriertheit und ständiger Unruhe neigt, fühlt sich oft als Versager. Da kann die Diagnose ADHS eine große Erleichterung sein. Denn sie bedeutet auch: Man „kann nichts dafür“, wenn man die hohen Erwartungen der Eltern an den Erfolg in Schule und Studium nicht erfüllt.
Man muss sich nicht schämen und fühlt sich weniger isoliert. Aber die Ausweitung der Krankheitsbilder hat auch ihre Schattenseiten. Die Pathologisierung gewöhnlicher Traurigkeiten und Krisen führt zu Überdiagnosen und teilweise unnötigen medikamentösen Behandlungen.
Unsere Autorin ist Philosophie-Professorin an der Ruhr-Universität Bochum. Sie wechselt sich hier mit der Pflanzenbiologin Petra Bauer und der Biochemikerin Birgit Strodel ab.
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