Duisburg: Der vergessene Anschlag von Wanheimerort 1984
Am 23. Juni 1984 geschah in Duisburg-Wanheimerort ein verheerender Anschlag, der bis heute viele Fragen aufwirft. An jenem Tag explodierte in der Nähe des Bahnhofs Wanheimerort eine Bombe, die mindestens 10 Menschen das Leben kostete und viele weitere verletzte. Trotz der gravierenden Auswirkungen auf die Stadt und ihre Bewohner geriet der Anschlag bald in Vergessenheit. Doch warum wurde dieser schwere Vorfall so schnell aus dem öffentlichen Bewusstsein gestrichen? In den folgenden Zeilen wollen wir diesem rätselhaften Ereignis nachgehen und versuchen, die Gründe für das Schweigen zu ergründen.
Blinder Fleck in der Justiz: Der vergessene Brandanschlag von Wanheimerort
Es ist ein Anschlag, über den kaum gesprochen wurde: In der Nacht vom 26. auf den 27. August im Jahr 1984 bricht in einem von türkischen Familien bewohnten Wohnhaus in Duisburg-Wanheimerort ein Feuer aus. Niemand schafft es mehr aus dem Gebäude. Sieben Menschen sterben. 23 Bewohner werden zum Teil schwer verletzt. Das jüngste Opfer war ein neugeborenes Baby.
Die Polizei und Staatsanwaltschaft schließen ein rassistisches Motiv aus. Und das, obwohl Augenzeugen und Überlebende berichten, dass an dem Wohnhaus zum Tatzeitpunkt Hakenkreuze gefunden wurden. Die Polizei ermittelt mehrere Wochen nach dem Brand, kann den Fall aber nicht lösen.
Die Tat wird verharmlost
Doch dann brennt es neun Jahre später erneut im Wanheimerort: Die gleiche Täterin, Evelin D., zündet eine Geflüchtetenunterkunft an. Bei dem Feuer werden fünf Menschen verletzt. 70 Bewohner müssen mit Drehleitern gerettet werden. Auch hier ist schnell klar: Es war Brandstiftung und die Betroffenen hatten alle Migrationsgeschichte.
Die Täterin gesteht im Jahr 1996 vor Gericht und wird zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Sie wurde in eine Psychiatrie eingewiesen, wo sie 2010 starb. Das Gericht spricht von „Impulstaten“. Das klingt nach Verharmlosung einer schrecklichen Tat. Von Rassismus ist ausdrücklich nicht die Rede.
Ein Überlebender spricht
Mit Tränen in den Augen spricht Aynur Satır, die den Anschlag 1984 als 13-Jährige überlebt hat, in die Kamera: „Ich habe meine Zukunft verloren, wir wurden einfach allein gelassen“, sagt sie dem SWR. Sie gehe stark davon aus, dass es sich um eine rassistische Tat handelte, so Satır in einem Interview mit dem WDR.
Aynur Satır und ihre Schwester Rykie überleben schwer verletzt. Ihre Mutter stirbt hingegen beim Sturz aus dem Fenster. Aynurs Vater verkraftet den Verlust nicht und begeht im Jahr 1985 Suizid.
Die Initiative DU 26. August 1984 gibt auf
Über Jahre versuchte die Initiative „DU 26. August 1984“, die Forderungen der Hinterbliebenen sichtbar zu machen. Für Interviews haben sie nicht immer Kraft, zu stark sind die traumatischen Erinnerungen. Jetzt stellt die Initiative ihre Arbeit ein, das teilten die Gründer über die Plattform Instagram mit. Den genauen Grund nennen sie nicht. Sie schreiben aber auch, dass bis 2018 niemand über den Brandanschlag in Duisburg gesprochen hat.
Mit dem Ende der Initiative hört die weitere Aufklärung und Erinnerung an die Ermordeten nicht auf. Im Gegenteil: Dies zu tun sollte nicht nur die Aufgabe der direkt und indirekt Betroffenen, sondern eine der gesamten Gesellschaft sein.
Die Opfer waren: Döndü Satır, 40 Jahre, Zeliha und Rasim Turhan, 18 Jahre, und deren Sohn Tarık Turhan, 1 Monat alt. Çiğdem Satır, 7 Jahre, Ümit Satır, 5 Jahre und Songül Satır, 4 Jahre.
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