Herzauge: Kaarster Leseklub leiht Schriftstellerin ihre Stimme
In einer besonderen Aktion zeigt der Kaarster Leseklub sein soziales Engagement. Die Mitglieder des Leseklubs haben sich entschieden, einer Schriftstellerin ihre Stimme zu leihen, die aufgrund einer Sehbehinderung nicht selbst lesen kann. Durch diese Initiatve möchten die Mitglieder des Leseklubs der Autorin ermöglichen, ihre Werke einem breiten Publikum vorzustellen. Dieses Projekt ist ein schönes Beispiel für die Bedeutung von sozialer Verantwortung und bürgerschaftlichem Engagement in unserer Gesellschaft.
Inklusion und Offenheit: Autorin Lina Maria Pietras liest aus ihrem Buch 'Herzauge' vor dem Lea-Leseklub
Eine ganz besondere Lesung fand am Freitagabend in der Lukaskirche in Holzbüttgen statt. Die Autorin Lina Maria Pietras hatte in Kooperation mit dem Schubladenprojekt und dem Lea-Leseklub gemeinsam zur Lesung ihres ersten eigenen Buches „Herzauge“ eingeladen. Über fünfzig interessierte Zuhörer waren der Einladung gefolgt.
Da die Autorin selbst nur noch vier Prozent Sehkraft hat, liehen ihr Florian Semrau, Maryam Morabi und Lukas Hassel vom Leseklub, die alle drei selbst eine Behinderung haben, ihre Augen und Stimmen, um Auszüge aus dem Buch der Deutsch-Brasilianerin vorzulesen.
Die Botschaft des Buches
In dem Buch erzählt Pietras autobiographisch ihre eigene Geschichte. Im Alltag habe sie beobachtet, wie sich die Menschen und die Gesellschaft selbst mit unterschiedlichsten Aktivitäten betäuben und sich immer weiter von sich selbst entfernen. Selbstzweifel und innere Kritiker haben da leichtes Spiel.
Selbstfindung und Inklusion sind die Kernthemen des Buches. Pietras zeigt, dass man sich nur in sich selbst und nicht im Außen finden könne und dass das Sehen mit dem Herzen viel wichtiger sei als das Sehen mit den Augen.
Sie ist selbstbewusst und geht selbstbestimmt durch ihr Leben. Sie lebt Inklusion und hilft anderen als Coach, mehr auf die eigenen Bedürfnisse zu hören. Gleichzeitig zeigt die Autorin auf beeindruckende Weise, dass Selbstfindung und Druck keine guten Partner sind.
In „Herzauge“ erfahren die Leser, wie es mit Leichtigkeit gelingt, Strategien für schlechte Zeiten zu entwickeln, gesunde Beziehungen aufzubauen, sich selbst wieder mehr zu lieben und nicht zu streng mit sich zu sein.
Eine wichtige Botschaft
Von den Zuhörern gab es nach der Lesung für so viel Ehrlichkeit und Offenheit tosenden Applaus. Die Anwesenden nutzten die Möglichkeit vor Ort, um mit der Autorin aktiv ins Gespräch zu kommen und einen Blick in ihre Welt zu erhalten.
„Inklusion ist ein Grundrecht – kein Privileg“, stellt sie klar. „Wir wollen gar keinen Sonderstatus, wir wollen einfach nur dazugehören, so wie jeder andere Mensch auch. Jeder kennt das Gefühl, einmal ausgeschlossen worden zu sein und niemand will das.“
Sie erklärte anhand eines einfachen Beispiels, wie sie es sich nicht von der Gesellschaft wünscht. „Wenn ich im Supermarkt bin und frage, wo die Milch steht, möchte ich den Weg wissen und nicht, dass jemand losläuft und diese für mich holt. Das ist totale Bevormundung, auch wenn sie gut gemeint ist.“
Inklusion bedeutet Akzeptanz, und die Autorin wünscht sich von der Gesellschaft, dass sie jeden Menschen so akzeptiert und annimmt, wie er ist.
Es sei normal, dass man sich nicht in jeden Menschen hineinversetzen und alles verstehen könne, aber dann soll man Pietras zufolge bitte einfach fragen statt zu handeln.
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