Mönchengladbach trauert um Icek Ostrowicz, Holocaustüberlebenden

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Mönchengladbach trauert um Icek Ostrowicz, Holocaustüberlebenden

Die Stadt Mönchengladbach befindet sich in Trauer. Am vergangenen Wochenende verstarb Icek Ostrowicz, ein Überlebender des Holocaust, im Alter von 93 Jahren. Der polnischstämmige Ostrowicz überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald und wurde nach dem Krieg in Deutschland sesshaft. In Mönchengladbach engagierte er sich jahrelang als Zeitzeuge und Holocaust-Überlebender, um die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wach zu halten. Die Stadt Mönchengladbach ehrt sein Andenken und gedenkt seiner mit tiefer Trauer.

Mönchengladbach trauert um Icek Ostrowicz, Holocaust-Überlebenden

Shalom, Frieden ist das Wichtigste überhaupt. Diesen unerschütterlichen Grundsatz betonte das Mönchengladbacher Ehepaar Ostrowicz, kurz bevor Icek Ostrowicz im Juli 2023 für seine Haltung, sein Engagement für die Bildung junger jüdischer Menschen und seinen Einsatz für die Versöhnung zwischen den Religionen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.

Nathanael Liminski, Minister und Chef der Staatskanzlei, sagte bei der Verleihung des Ordens: „Seit vielen Jahrzehnten setzt sich Icek Ostrowicz für den interkulturellen Dialog, für die Förderung junger Menschen und für die Belange der jüdischen Gemeinde in Mönchengladbach ein. Icek Ostrowicz ist eine Persönlichkeit mit gleichermaßen beeindruckender und herausragender Lebensleistung. Ich verneige mich vor so viel unerschütterlichem Lebensmut und großem Engagement.“

Wenige Wochen nach seinem 97. Geburtstag ist Ostrowicz nun in dieser Woche, am 25. September, verstorben. Das teilte die jüdische Gemeinde in Mönchengladbach am Freitag mit.

Icek Ostrowicz: Ein Leben für Frieden, Versöhnung und Erinnerung

Icek Ostrowicz: Ein Leben für Frieden, Versöhnung und Erinnerung

Icek Ostrowicz wurde 1927 in Kielce in Polen als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Als er zwölf Jahre alt war, marschierte die deutsche Wehrmacht in Polen ein, der Zweite Weltkrieg begann. Mit 13 Jahren wurde Icek Ostrowicz von seiner Familie getrennt und zur Arbeit verpflichtet. Zwei Arbeitslager, drei Konzentrationslager und einen Todesmarsch überstand er mit ungeheurem Lebenswillen, Mut und Glück.

Als er nach Ende des Krieges zurück in seine Heimatstadt kam, erfuhr er, dass seine gesamte Familie ins Konzentrationslager Treblinka deportiert und dort ermordet worden war. Daraufhin verließ er seine Heimatstadt und kam über Umwege 1947 als 19-Jähriger nach Mönchengladbach.

Im Rheinland startete er in ein neues Leben, baute sich ein Unternehmen in der Textilbranche auf. Am 1. Oktober 1950 meldete er bei der Stadt ein Gewerbe an und gründete die Firma Ostita Moden. Er wurde ein erfolgreicher Mode-Kaufmann, heiratete und bekam eine Tochter, später zwei Enkel.

„Ich lebe gerne in Deutschland, sehe nicht die Allgemeinheit, sondern immer den einzelnen Menschen“, sagte er einmal im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich schaue mir jeden genau an, es ist mir gleich, welche Herkunft und Religion er hat.“

Icek Ostrowicz war erfolgreich, obwohl ihm eine Schulbildung verwehrt geblieben war: Als Jude wurde er im sechsten Schuljahr von der Schule in Kielce verbannt, lernte aber früh, sich um Mutter und Geschwister zu kümmern. Nur der Großvater unterrichtete ihn ein wenig, vorwiegend in jüdischer Religion.

Als der Krieg beendet war, hatte Icek Ostrowicz weder Zeit noch Geld, aufs Gymnasium zu gehen: Es galt, zu überleben. Mit dem Rechtsanwalt Gerhard C. Starck verband ihn eine tiefe Freundschaft. Nach dessen Tod im Jahr 2000 war Ostrowicz wesentlich an der Gründung der Gerhard C. Starck Stiftung beteiligt, die Hunderten talentierten jüdischen Menschen mit einem Stipendium ein Studium ermöglicht hat.

Icek Ostrowicz selbst hat nie eine Universität besucht. „Mir ist das verwehrt worden, ich durfte nicht mal zur Schule gehen“, sagte er einmal.

Immer wieder gab er seine Haltung auch jungen Menschen weiter. Erst Anfang dieses Jahres noch wollte er als Zeitzeuge im Theater Mönchengladbach bei einer Gedenk-Veranstaltung für die Opfer des Holocausts auf dem Podium mitreden, musste dies aber aus gesundheitlichen Gründen absagen.

Icek Ostrowicz schreibt im Jahr 2011 die Schlussbuchstaben der neuen Tora-Rolle in der jüdischen Gemeinde Mönchengladbach persönlich. Er hatte die Tora gestiftet. Foto: Markus Rick

Auch in der jüdischen Gemeinde war Icek Ostrowicz über Jahrzehnte eine prägende Persönlichkeit. Zweimal stiftete er der Gemeinde eine neue Tora, die Heilige Schrift im jüdischen Glauben. Sie werden im Toraschrank aufbewahrt, dessen Vorhang er ebenso stiftete. Von seinem festen Platz in der ersten Reihe der vor drei Jahren sanierten Synagoge konnte der Gemeindeälteste die Schriften gut sehen. Dieser Platz wird nun leer bleiben.

Holger Hofmann

Ich bin Holger, ein erfahrener Redaktionsleiter von Hol Aktuell, einer generalistischen Zeitung mit nationalen und internationalen Nachrichten. Mein Team und ich sind bekannt für unsere strenge und objektive Berichterstattung. Mit meiner langjährigen Erfahrung als Journalist habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, unseren Lesern stets aktuelle und relevante Informationen zu bieten. Meine Leidenschaft für den Journalismus treibt mich jeden Tag an, die besten Geschichten zu finden und sie professionell aufzubereiten.

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