Wahlen und EU-Beitritt: Moldau im Visier moskauer Einflussversuche
Die Republik Moldau steht vor einem wichtigen Wendepunkt in ihrer Geschichte. Die anstehenden Wahlen werden entscheidend dafür sein, ob das Land seinen Kurs in Richtung EU-Beitritt fortsetzen oder sich wieder stärker an Russland anlehnen wird. Doch die moldauische Regierung muss sich nicht nur mit den eigenen politischen Kräftenverhältnissen auseinandersetzen, sondern auch mit den Einflussversuchen Moskaus, die das Land destabilisieren und von seinem pro-europäischen Kurs abbringen sollen. Die Frage ist, ob die moldauische Bevölkerung und die politischen Führer stark genug sind, um gegen die russischen Einflussnahme zu resistieren und ihren Weg in die europäische Familie fortzusetzen.
Moldau im Visier: Moskauer Einflussversuche gefährden EU-Beitritt
Die Bürgerrechtlerin strahlt an diesem Herbstabend bei dem Treffen in dem Restaurant an der Bukarest-Straße in der Innenstadt von Chisinau keine Verzweiflung aus, sondern Fassungslosigkeit über die Veränderungen, die sich unter massivem russischen Druck kurz vor wichtigen Wahlentscheidung in dem EU-Beitrittskandidatenland vor aller Augen abspielen.
„Wir haben ein richtig schlechtes Gefühl nach dieser Unmenge von Fake-Protesten“, fasst sie die Stimmung in ihrer Gruppe zusammen. „Die Straße gehörte doch uns, und nun hat Putin sie in Besitz genommen.“
Die Behörden zählten binnen zwei Jahren in dem kleinen 2,5-Millionen-Einwohner-Land zwischen Rumänien und der Ukraine fast 3600 Proteste gegen den Westkurs der Regierung. Es wird geschätzt, dass Moskau allein in diesem Jahr rund hundert Millionen Dollar investierte, um die entscheidenden Abstimmungen an diesem Sonntag zu beeinflussen.
Wahlen in Moldau: Russische Propaganda und Fake-Proteste beeinflussen Entscheidung
Denn es lohnt sich. Für eine Stunde Protest gibt es ungefähr einen Tageslohn. Je nach Verdienst macht das auch deutlich mehr aus. Hinzu kommt die Allgegenwart der russischen Trolle in den sozialen Netzwerken Moldaus.
Kaum postet ein EU-Beitrittsbefürworter eines der üblichen Argumente für eine Westbindung, wird er auch schon von einer Empörungswelle mit haarsträubenden, aber immer mehr am Boden gewinnenden Narrativen überschüttet: Dass die EU in Moldau die Bauern enteignen wolle, dass sich die wohlhabenden EU-Leute das wertvolle Land unter den Nagel reißen wollten. Dass nur Russland für die moldauischen Werte stehe.
Diese Fakeflut übersteht keinen Plausibilitätstest, denn Moldau ist nicht reich, sondern eines der ärmsten Länder des Kontinents. Doch die Kreml-Propaganda scheint gleichwohl einen Nerv zu treffen.
Scholz reist nach Moldau: Ukraine-Krieg und EU-Beitritt im Mittelpunkt von Besuch
Während Moldau verlässlich auf EU-Kurs zu sein scheine und diesen nach dem russischen Angriff auf das Nachbarland noch viel engagierter und konsequenter verfolge, entferne sich Georgien unter russischem Einfluss immer schneller von dieser Beitrittsperspektive, heißt es in Berliner Regierungskreisen.
Zu Beginn des russischen Eroberungsfeldzuges gab es in Chisinau das Szenario, dass Russland mit der vollständigen Einnahme der Südukraine einen Landkorridor bis zu der abtrünnigen Region Transnistrien herstellen könnte und es dann nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis auch Moldau eingenommen sein würde.
Um so intensiver unterstützt die proeuropäische Regierung in Chisinau den heroischen Verteidigungskampf der Ukraine rund um Odessa, weil das auch den russischen Weg nach Moldau verstellt.
Doch Putin will in Moldau offenbar den „Erfolg“ von Georgien wiederholen, ein ganzes Land steuern zu können, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern.
Gerade ist von einer Enthüllungsplattform in Chisinau aufgedeckt worden, wie vor den Sommerferien zahlreiche moldauische Familien von der großzügigen Einladung ihrer Kinder zu Feriencamps nach Russland Gebrauch machten, diese „Ferien“ dann länger dauerten als erwartet und ihre Kinder deutlich verändert wiederkamen.
Sie hatten neben dem kostenlosen Aufenthalt auch eine Gehirnwäsche in Richtung gutes, starkes, tolles Russland genießen dürfen.
Die Behörden Moldaus versuchten, weitere Einflussnahme aufzudecken und auch zu verhindern, dass die Russland-Propaganda ungehemmt Geld für ihre Aktionen ins Land pumpen konnte.
Mehr als 10.000 Euro durfte niemand mehr bei seiner Einreise dabei haben - mit der Folge, dass ganze Flugzeuge voll mit Menschen für wenige Stunden nach Aserbaidschan flogen und alle, die zuvor noch nie im Ausland waren, nun plötzlich 10.000 Euro dabei hatten.
Erst vor wenigen Tagen deckten die Behörden auf, dass rund 100.000 Bürger bestochen worden sein sollen, um ihre Stimme im von Moskau gewünschten Sinne auszugeben.
Und das bedeutet zweierlei: Zum einen soll eine erneute Amtszeit der populären Präsidentin Maia Sandu verhindert werden. Nach Umfragen liegt sie zwar noch in Führung, dürfte es am Sonntag jedoch nicht erneut im ersten Anlauf schaffen.
Im zweiten Wahlgang Anfang November dürften sich dann die prorussischen Kräfte zusammenfinden. Sie arbeiten hartnäckig an dem Narrativ, dass Sandu zwar international anerkannt sei, die Sorgen der kleinen Leute jedoch aus dem Blick verloren hätte.
Zum anderen sind die Moldauer aufgerufen, in einem Referendum den EU-Beitritt in die Verfassung zu schreiben und ihn so vor einem Regierungswechsel zu schützen. Massiv sind die Aufrufe zum Boykott der Volksabstimmung, damit das nötige Quorum von 33 Prozent der Wahlberechtigten verfehlt wird.
Schreibe einen Kommentar