Aufwachsen im Heim - Wie wirkt sich das auf spätere Beziehungen aus?

Index

Ein Wochenendpapa und die Sehnsucht nach Nähe

Andreas Schmitz erzählt von seiner Kindheit in einem Düsseldorfer Kinderheim. Jeden Samstag wartete er auf seiner Vater auf einer Bank im Eingangsbereich des Heims. Ich wurde immer abgeholt, wenn Papa das gesagt hat: '10 Uhr, am Samstag, da hol ich dich ab, mit deiner Schwester', erinnert er sich.

Mehr als 120.000 junge Menschen in Kinder- und Jugendeinrichtungen waren 1962 wie er und seine Schwester - er sechs Monate alt, seine Schwester ein Jahr älter - in ein Heim gekommen. Seine Mutter litt an Schizophrenie, sie kam in eine Klinik für psychische Erkrankungen, der Vater musste arbeiten.

Schmitz kann ihn verstehen: Ich war noch klein, meine Schwester auch. Er habe eben einen Wochenendpapa gehabt. Sie besuchten den Wildpark, machten Ausflüge auf den Fußball- oder Spielplatz, Schmitz erinnert sich an gemeinsames Frühstück und Eisessen im Sommer. Es war schon schön zusammen, aber irgendwas hat eben gefehlt.

Die Trennung von diesem Mann war wie ein kalter Entzug

Die Trennung von diesem Mann war wie ein kalter Entzug

Seine Mutter lernte er kennen, als er fünf Jahre alt war. Aber das war nicht meine Mutter. Also es war meine Mutter, aber ich hatte keine Beziehung zu ihr wie zu einer Mutter. Durch ihre Krankheit seien die Treffen nicht einfach gewesen.

Auch heute wohnen viele Kinder nicht bei ihren Eltern. Im Jahr 2022 wurden laut Statistischem Bundesamt 121.000 junge Menschen in einem Heim und weitere 86.000 in einer Pflegefamilie betreut. 27 Prozent der Kinder waren jünger als zehn Jahre, 48 Prozent jünger als 14 Jahre. In jedem zweiten Fall waren die Eltern alleinerziehend.

Die Gründe, warum Kinder nicht in der Familie aufwachsen, sind vielfältig: Mutter oder Vater fallen aus wegen einer Erkrankung, die Kinder sind per unbegleitete Einreise aus dem Ausland gekommen oder es droht eine Gefährdung des Kindeswohls.

Das Leben im Kinderheim

Das Leben im Kinderheim

Im Heim habe er sehr unter der fehlenden Nähe zu seinen Eltern gelitten, sagt Schmitz heute. Er habe an Albträumen gelitten, gestottert und manchmal eingenässt. Freundschaften seien ihm schwergefallen, auch wenn es im Heim genug Kinder zum Spielen gab.

Die Nonnen, die die Kinder in den ersten Jahren in dem Düsseldorfer Heim betreut haben, seien streng und autoritär gewesen. Er berichtet von harten, zum Teil auch von körperlichen Strafen.

Das Leben nach dem Kinderheim

Das Leben nach dem Kinderheim

Die Zeit im Heim habe Spuren hinterlassen: Ich habe ein Helfersyndrom, so Schmitz. Er bringt heute Kleidung und Lebensmittel zu Notschlafstellen, kocht für Bedürftige, sammelt Gummibänder vom Boden auf, damit sich Tauben darin nicht verfangen, und auch bei der Kronkorkensammlung für gute Zwecke engagiert er sich.

Als Schmitz zwölf war, stellte der Vater ihm und seiner Schwester seine neue Frau, ihre Stiefmutter vor. An dem Tag holte er auch die Kinder zurück aus dem Heim nach Hause.

Mit Mitte zwanzig lernte Schmitz Anita (Name geändert) über die Arbeit kennen, seine spätere Frau. Noch heute erzählt er schwärmend davon.

Sein Vater sei häufig emotional zu zurückhaltend gewesen. Im Heim habe es nur eine Nonne gegeben, die ihn manchmal in den Arm genommen habe. Die Umarmung seiner Mutter war für ihn etwas Besonderes: Mit 30 Jahren habe ich das erste Mal gemerkt: 'Sie hat doch irgendwas für dich über.'

Heute lebt Schmitz alleine mit seinem Kater. Er geht regelmäßig zum Friedhof. Alle drei Wochen, wenn ich einen kleinen, traurigen Tag habe. Ich setze mich auf die Bank und rede mit Anita oder mit meinem Vater, sagt er. Auch seine leibliche Mutter und seine Stiefmutter seien dort begraben.

Mit seiner Schwester trifft er sich weiterhin. Einmal in der Woche gehen sie vegan essen. Schmitz sagte heute: Ich habe meinen Frieden geschlossen.

Ursula Herrmann

Ich bin Ursula, Journalistin bei der Webseite Hol Aktuell. Als Generalistin berichte ich über nationale und internationale Nachrichten mit Strenge und Objektivität. Meine Artikel sind immer aktuell und informativ, um unseren Lesern die wichtigsten Ereignisse des Tages zu präsentieren. Mit meiner Leidenschaft für Journalismus und meinem Engagement für die Wahrheit strebe ich danach, unsere Leser stets gut informiert zu halten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Go up