Grenfell-Tragödie in London: Wer trägt die Verantwortung?

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Grenfell-Tragödie in London: Wer trägt die Verantwortung?

Am 14. Juni 2017 schlug die Katastrophe in London zu: ein verheerender Brand im Grenfell-Tower in North Kensington forderte 72 Menschenleben und hinterließ viele Familien traumatisiert. Die Frage, die sich seitdem stellt, ist: Wer trägt die Verantwortung für dieses vermeidbare Unglück? Die Regierung, die Stadtverwaltung, die Architekten oder die Bauunternehmer? Oder liegt die Schuld bei der Kombination aus mangelnder Sicherheit, fehlender Überwachung und gescheiterten Brandschutzmaßnahmen? In diesem Artikel werden wir die Hintergründe der Tragödie aufarbeiten und die Verantwortlichen suchen.

Grenfell-Tragödie: Wer verantwortet den Tod von 72 Menschen?

Vor sieben Jahren ging in London der Grenfell-Tower in Flammen auf, 72 Menschen kamen im Feuerinferno ums Leben. Eine umgehend eingesetzte Untersuchungskommission hat am Mittwoch endlich ihren Abschlussbericht vorgelegt und benennt Verantwortliche.

Londoner Brandkatastrophe: Eine Kette von Versagen führte zum Unglück

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Neben Bauunternehmen, Fassadenherstellen, Regierungsvertretern und Aufsichtsbehörden steht auch die Feuerwehr in der Kritik. Bisher ist noch niemand angeklagt worden, und die ersten Gerichtsverfahren sind frühestens im übernächsten Jahr zu erwarten.

Das Unglück nahm am 14. Juni 2017 um 54 Minuten nach Mitternacht seinen Lauf. In einer Wohnung im 4. Stockwerk des Sozialbaus ging ein defekter Kühlschrank in Flammen auf. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus und erreichte den obersten 24. Stock in weniger als einer halben Stunde.

Der Grund für die rasche vertikale Ausbreitung war die Fassadenverkleidung. Dabei wurden Paneele verwendet, die bei den hohen Temperaturen in Flammen aufgingen. So konnte das Feuer von außen von einer Wohnung auf die nächste überspringen. Zugleich wirkte die Verkleidung wie ein Kamin, der wie ein Beschleuniger wirkte und den Brand noch verstärkte.

„In meiner 29-jährigen Karriere als Feuerwehrfrau“, sagte die Chefin der Londoner Feuerwehr LFB Dany Cotton, „habe ich noch nie ein solches Feuer erlebt. Und ich habe viele Hochhausbrände gesehen.“

Grenfell-Tower: Vor sieben Jahren ging ein Hochhausbrand in Flammen auf

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Die hohe Zahl der Opfer war auch darauf zurückzuführen, dass die Feuerwehr viel zu spät mit der Evakuierung begann. Die offizielle Weisung an die Mieter war, in ihren Wohnungen zu bleiben, sie würden innerhalb einer Stunde gerettet werden, solange sei ihre Wohnung feuerfest. Die Weisung wurde für die, die blieben, zum Todesurteil.

Es gab zudem viele Mängel im Grenfell Tower. Die Anwohner berichteten, dass sie keinen Feueralarm gehört hätten. Ein Sprinklersystem im Tower existierte nicht. Es gab nur eine Fluchtroute, das zentrale Treppenhaus, das allzu schnell durch Rauch unpassierbar wurde.

Viele dieser Mängel waren schon Jahre vor der Katastrophe von der Mietervereinigung gegenüber dem Vermieter, der Stadtgemeinde Kensington, gemeldet worden, aber nichts geschah: Man redete sich darauf hinaus, dass sämtliche Bau- und Feuerschutzvorschriften beachtet worden seien. Die waren freilich unzureichend.

Das Grenfell-Inferno war eine Katastrophe, aber nicht von der Art, die eine Nation zusammenschweißen kann. Hier trat das Gegenteil ein, weil ganz unübersehbar eine gesellschaftliche Komponente mitspielte: Die Opfer waren hauptsächlich Sozialhilfeempfänger.

„Wenn ihr sehen wollt, wie die Armen sterben“, beginnt ein Gedicht des Lyrikers Ben Okri, „kommt und schaut auf Grenfell Tower“. Der Hochhausbrand steht für die Spaltung der Gesellschaft in unten und oben, arm und reich.

Etwas ist zutiefst falsch, etwas ist ganz und gar aus dem Ruder gelaufen – das war in den Tagen nach der Katastrophe das Gefühl, das viele Briten hatten. „Anwohner nennen es das Krematorium“, heißt es in Okris Gedicht, „es hat die Unterströmungen unserer Zeit enthüllt.“

Grenfell wurde zu einer Wunde, die weiterhin schwärt. Denn wie konnte es dazu kommen, dass in einem der reichsten Länder der Welt und in einem der wohlhabendsten Stadtbezirke Londons eine solches Unglück passieren konnte? War es nicht vermeidbar? Warum hat niemand auf die Anwohner gehört, die seit Jahren über mangelnden Brandschutz geklagt hatten?

Wer kam auf die Idee, einen Betonbau, mit einer Fassade zu umhüllen, die als Brandbeschleuniger diente? War der Grund etwa, das hässliche Gesicht des Sozialbaus aufzuhübschen?

Der Abschlussbericht der seit sieben Jahren ermittelnden Untersuchungskommission versuchte, Antworten zu finden.

Das Urteil, das der Vorsitzende Sir Martin Moor-Bick fällte, viel ziemlich vernichtend aus. „Die simple Wahrheit ist“, sagte er, „dass alle 72 Todesfälle vermeidbar gewesen wären.“ Es habe eine „Kette von Versagen“ gegeben, die Jahrzehnte zurückreiche.

Die konservative Regierung habe ab 2010 eine Politik der Deregulierung betrieben, die Sicherheitsstandards ausgehöhlt hätte. Das Management von Brandschutz und Gebäudesicherheit weise deswegen „gravierende Mängel“ auf. Der Stadtrat von Kensington habe die Sorgen ihrer Sozialmieter ignoriert.

Die Feuerwehr habe keine Strategie gehabt, mit einem Feuer der Art, wie es in Grenfell auftrat, umzugehen. Aber die schlimmste Kritik traf die Bauunternehmer und die Hersteller von Isolationsplatten und Fassadenpaneelen: Sie hätten systematisch gelogen über die Sicherheit ihrer Produkte und Zertifizierungen manipuliert.

Die Polizei ermittelt gegen 19 Unternehmen und 58 Einzelpersonen. Mit Anklagen, sagte Scotland Yard, sei aber nicht vor Ende 2026 zu rechnen.

Premierminister Keir Starmer nahm am Mittwoch im Unterhaus Stellung zu dem Abschlussbericht. Er sprach Angehörige der Opfer, die auf der Galerie Platz genommen hatten, direkt an: „Ihr seid schwer im Stich gelassen worden.“ Er wolle, sagte er, „eine Entschuldigung im Namen des britischen Staates aussprechen: Es hätte niemals passieren dürfen.“

Starmer versprach „volle Rechenschaft, auch strafrechtliche“ für die Unternehmen und die verantwortlichen Einzelpersonen. Seine Regierung werde die 58 Empfehlungen, die die Kommission gemacht hat, um künftige Katastrophen zu verhindern, schleunigst prüfen und innerhalb der nächsten sechs Monate darauf reagieren.

„Dies muss ein Moment des Wandels sein“, kommentierte der Premierminister den Abschlussbericht und versprach, „eine generationsübergreifende Veränderung in der Sicherheit und der Qualität im Wohnungswesen“ herbeizuführen.

Heike Schulze

Ich bin Heike, ein erfahrener Redakteur und der Chefredakteur der Website Hol Aktuell, einer generalistischen Zeitung mit nationalen und internationalen Nachrichten. Mit meiner langjährigen Erfahrung in der Branche sorge ich dafür, dass unsere Leser stets aktuelle Nachrichten mit Strenge und Objektivität erhalten. Meine Leidenschaft für den Journalismus und mein Engagement für qualitativ hochwertige Berichterstattung spiegeln sich in jedem Artikel wider, den wir auf Hol Aktuell veröffentlichen. Es ist mir wichtig, unseren Lesern verlässliche Informationen zu liefern und sie stets auf dem neuesten Stand zu halten.

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