"Was uns hält" im Kino: Ehedrama mit Alba Rohrwacher

Ein Familien-Drama, das tiefe Wunden aufreißt

Als Vanda, gespielt von Alba Rohrwacher, wutentbrannt aus dem Auto stürzt, bleibt die Kamera mit den Kindern im Wagen zurück und beobachtet die Szene durch die Windschutzscheibe. Die Mutter greift ihren Ehemann Aldo, gespielt von Luigi Lo Cascio, der Arm in Arm mit seiner Geliebten die Straße entlang geht, von hinten an, beschimpft ihn, schlägt auf ihn ein, zerrt an seiner Jacke, lässt sich nicht beschwichtigen und wird schließlich gewaltsam weggestoßen.

Die herzzerreißende Szene ist der traurige Höhepunkt einer Ehekrise, deren Verlauf und Folgen Daniele Luchettis Familiendrama „Was uns hält” in einer verschlungen Erzählung aufzeigt.

Ein Kampf um die Familie

Als Aldo ihr gesteht, dass er eine Affäre hat, stößt Vanda ihn zunächst von sich, um später wie eine Löwin um den Ehemann zu kämpfen. „Es ist nicht nur eine Frage der Liebe”, sagt sie zu ihm, „sondern auch der Loyalität.“ Immer verzweifelter bis zum Selbstmordversuch werden ihre Aktionen, mit denen sie ihren Mann in der Familie halten will.

Auch Aldo zögert vor allem der Kinder wegen, die ein enges Verhältnis zum Vater haben. Aber Vandas Umklammerung ist zu stark, und die Verlockungen eines neuen Lebens an der Seite der unabhängigen Lidia sind zu groß.

Ein neuer Anfang?

Erst einige Jahre nach der Scheidung gesteht sich Aldo ein, dass er ohne seine Familie nicht leben kann und kehrt zu Vanda und den Kindern zurück. Von hier aus springt der Film in einem kühnen, dramaturgischen Move 30 Jahre nach vorn.

Vanda und Aldo (nun gespielt von Laura Morante und Silvio Orlando) sind immer noch ein Paar. Aber die Wunden des Betrugs sind keineswegs verheilt. Schuldbeladen und mit wortkargem Defätismus navigiert sich Aldo durch den ehelichen Alltag, während Vanda keine Gelegenheit auslässt, ihm ihre Mikroaggressionen entgegen zu schleudern.

Die lähmende Last der Vergangenheit

Die verkrusteten Strukturen dieser Ehehölle brechen auf, als die beiden aus einem Urlaub zurückkehren und ihre Wohnung in einem verwüsteten Zustand vorfinden. Der dritte und letzte Teil des Films ist wiederum den beiden erwachsenen Kindern gewidmet, deren persönliche Entwicklung stark unter den elterlichen Konflikten gelitten hat.

In einem Rausch der Zerstörung befreien sie sich wenigstens für einen kurzen Moment von den traumatischen Altlasten ihrer Kindheit.

Ein Film, der die Familie neu befragt

Mit seiner ungewöhnlichen, dramaturgischen Herangehensweise nimmt „Was uns hält” die ganze Wucht einer akuten Ehekrise ebenso ins Visier wie deren Langzeitfolgen auf Eltern und Kinder. Wie schon zuletzt Francesca Archibugis „Kolibri” kapert auch dieser Film das ur-italienische Genre der Familienchronik, um das gesellschaftliche Modell der Familie in einem Stresstest neu zu befragen.

Mit großer psychologischer Genauigkeit und mitreißender Empathie gelingt es Luchetti, das polarisierende Thema der Untreue ebenso dramatisch wie differenziert auszuloten. Schuld und Sühne entwickeln in dieser Zweier- und Familienkonstellation eine starke, unterschwellige Zerstörungskraft.

Ein herausragendes Ensemble, bestehend aus Alba Rohrwacher und Luigi Lo Cascio, befreit ihre Figuren von allen Freund/Feind-Schemata. Faszinierend ist die Überführung ihrer Charaktere ins hohe Alter mit einem neuen Schauspielerpaar.

Die Kontinuität des nicht überwundenen Konfliktes spiegelt sich nicht nur auf der Dialogebene, sondern hat sich auch in die Körpersprache, die Blicke und die Haltung des alten Paares eingeschrieben. Ihre Beziehung ist nicht mehr zu retten, aber für die erwachsenen Kinder öffnet sich mit einem gemeinsamen Befreiungsschlag ein kleines Fenster der Hoffnung.