Wie Percival Everett die Geschichte von Tom Sawyer neu erzählt

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Wie Percival Everett die Geschichte von Tom Sawyer neu erzählt

In einer neuen Interpretation des amerikanischen Klassikers The Adventures of Tom Sawyer hat der renommierte Autor Percival Everett die Geschichte des ungestümen Jungen aus Hannibal neu erzählt. In seinem Roman The Trees nimmt Everett die Zügel in die Hand und führt den Leser auf eine Reise durch die Südstaaten Amerikas im Jahr 1950. Mit seinem charakteristischen Stil, der zwischen Satire, Sozialkommentar und Literaturkritik oszilliert, beleuchtet Everett die Themen Rassismus, Gewalt und Identität in den Vereinigten Staaten. Wie gelingt es Everett, die Geschichte von Tom Sawyer auf neue Weise zu erzählen und gleichzeitig tiefe Einblicke in die amerikanische Gesellschaft zu geben?

Percival Everett erzählt die Geschichte von Tom Sawyer neu

Der amerikanische Schriftsteller und Maler Percival Everett erzählt in seinem Roman James die Huckleberry-Finn-Geschichte von Mark Twain neu. Doch diesmal nicht aus der Sicht des weißen Jungen Huck, sondern aus der Perspektive des Sklaven Jim.

Die Geschichte von Jim, dem Sklaven, der sich selbst erzählt

Die Geschichte von Jim, dem Sklaven, der sich selbst erzählt

Wenn Jim sich unbeobachtet fühlt, schleicht er sich in die Bibliothek seines weißen Herrn. Er stöbert in den Büchern und bringt sich und seiner Familie das Lesen und Schreiben bei, schärft ihnen aber ein, gegenüber den weißen Besitzern niemals durchblicken zu lassen, dass sie sich Bildung angeeignet haben. Die Weißen erwarten, dass wir auf bestimmte Weise klingen. Wenn sie sich unterlegen fühlen, haben wir darunter zu leiden.

Je besser sich aber die Weißen fühlen, desto sicherer sind wir. Also heißt es: Blickkontakt vermeiden, nie reden, ohne gefragt zu werden. Und selbst wenn in der Küche ein Feuer ausbricht, immer darauf achten, dass die Weißen diejenigen sind, die das Problem benennen.

Der weiße Herr zu fragen: Möchten Sie, dass ich eine Schaufel Sand hole? sei zwar ein richtiger Ansatz, müsse aber noch in den Südstaaten-Slang übersetzt werden: Herrmhimmel, Ma´am, so´ich vlleich ne Schaufel Sand ranschaffm?

Everett gibt dem bei Mark Twain etwas einfältigen Jim einen Charakter und eine Klugheit, die ihn befähigt, die Ketten abzulegen, sich als freies Wesen zu definieren und sich an den Unterdrückern zu rächen. Wichtigstes Werkzeug der Befreiung wird ein Bleistift, mit dem Jim formulieren kann, wer er ist: Ich heiße James. Ich wurde bei meiner Geburt verkauft und dann erneut verkauft. Ich kann Ihnen sagen, dass ich ein Mann bin, der sich über seine Welt im Klaren ist, ein Mann, der lesen und schreiben kann, ein Mann, der seine Geschichte nicht bloß selbst berichten, sondern selbst aufschreiben wird.

Mit dem Bleistift, dessen Diebstahl ein Schwarzer mit Leben bezahlen muss, schreibt James sich ins Dasein. Die Fahrt auf dem Mississippi samt abenteuerlicher Verwicklungen mit Fluß-Piraten und giftigen Schlangen, Verkleidungen und Verwechslungen wird zur Reise in die Gegenwart, die noch immer von Rassismus und Gewalt geprägt ist.

James hält dem Weißen, der seine Familie wie Tiere in Käfigen hält, den Revolver an den Kopf: Ich bin der Todesengel, um bei Nacht süße Gerechtigkeit zu üben. Ich bin ein Zeichen. Ich bin deine Zukunft, flüstert James, spannt den Hahn der Waffe und hinterlässt auf seinem Weg in die Freiheit eine blutige Spur.

Der Roman ist eine politische Provokation. Um den kruden Südstaaten-Slang einzufangen, bedient sich der Übersetzer einer phonetischen Schreibweise: eine ziemliche Herausforderung, aber eine, die sich lohnt.

Info: Percival Everett: James. Roman. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser, 336 Seiten, 26 Euro

Kerstin Klein

Ich bin Kerstin, ein leidenschaftlicher Experte für aktuelle Nachrichten und Autor bei Hol Aktuell. Als Generalist verfasse ich Artikel zu nationalen und internationalen Themen mit Strenge und Objektivität. Meine Begeisterung für Journalismus treibt mich dazu an, fundierte und gut recherchierte Informationen zu liefern, die unsere Leser informieren und zum Nachdenken anregen. Mit einem Auge für Details und einem starken Sinn für Ethik strebe ich danach, die Leserschaft von Hol Aktuell stets auf dem neuesten Stand zu halten.

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