Herfried Münkler bezeichnet die jüngsten Reisen des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán als absurd

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Herfried Münkler bezeichnet die jüngsten Reisen des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán als absurd

Der deutsche Politikwissenschaftler Herfried Münkler hat in einem aktuellen Interview die jüngsten Auslandsreisen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als absurd bezeichnet. Münkler, der als einer der einflussreichsten Politikwissenschaftler Deutschlands gilt, kritisierte Orbáns Reisen nach Russland und in die Vereinigten Staaten, die nach seiner Meinung keinen sinnvollen Zweck erfüllen. Die Reisen des ungarischen Regierungschefs seien vielmehr ein Ausdruck seiner politischen Verwirrung, so Münkler. Der Politikwissenschaftler warf Orbán vor, dass er mit seinen Auslandsreisen versuche, seine politische Isolation zu überwinden. Doch diese Strategie sei fehlgeschlagen, so Münkler.

Orbáns Alleingang: Eine absurdschreckliche Friedensmission?

Was treibt Viktor Orbán zu der eigenmächtigen Friedensmission, die wir gerade erleben?

Herfried Münkler, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität, glaubt nicht, dass Orbán die Marionette Putins ist. Er macht das wohl aus eigenem Antrieb und verfolgt dabei eigene Interessen – in Ungarn und der EU. Er will sich als Anführer der rechten Parteiengruppierung präsentieren, die sich im Europaparlament zusammengefunden hat, und zeigen, dass er etwas für einen Verhandlungsfrieden tut – auch wenn das ein Friedensschluss wäre, der Russland begünstigen würde. Es geht also um politische Selbstbezogenheit.

Münkler: Orbán ist kein Marionette Putins, sondern ein selbstzufriedener Politiker

Münkler: Orbán ist kein Marionette Putins, sondern ein selbstzufriedener Politiker

Orbáns Vorgehen ist weder seriös noch überlegt. Es ist eine One-Man-Show. Putin ist viel zu sehr Machtpolitiker, als dass er einen so machtlosen Mann wie Orbán als Vermittler in Betracht zieht.

Was sagt die EU, wenn sie Orbáns Alleingang nicht aufhält?

Was sagt es über die EU, dass sie dem Alleingang eines Ratspräsidenten nichts entgegenzusetzen hat als Empörung einzelner Regierungschefs der Mitgliedsstaaten?

Ungarn ist seit Jahren ein notorischer Veto-Spieler innerhalb der EU. Doch die EU kann Ungarn nicht rauswerfen – was schon erstaunlich ist, weil ein Austritt ja möglich ist, wie wir beim Brexit gesehen haben. Aber ein Rauswurf ist nicht vorgesehen. Nur Sanktionen, wie Mittelkürzungen etwa bei Verstößen gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit.

Orbáns Friedensmission: Ein Scharlatan auf Friedensmission

Der indische Ministerpräsident Modi etwa hat sich in Moskau in diesem Sinn geäußert. Wie deuten Sie dann die aktuellen schweren russischen Angriffe auf Ziele weit jenseits der Frontlinie auf ukrainischem Boden?

Sie zeigen auf jeden Fall die Folgenlosigkeit von Orbáns Mission. Mit dem Angriff direkt nach seiner Visite zeigt Moskau: Eine Fliege war hier und hat ein bisschen gebrummt. Das kann Putins Kalkül nicht beeinflussen.

Was könnte Russland denn zu Verhandlungen bewegen? Der Zerfall seiner eigenen Armee in einem sich endlos hinziehenden Krieg. Seit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive setzen beide Seiten auf eine Ermattungsstrategie.

Wie können solche Kriege enden? Die Ermattung kann einsetzen, weil einer Seite das Material ausgeht. Ich glaube aber nicht, dass die Aggression gegen die Ukraine zu Ende geht, weil eine Seite nicht mehr genug Kanonen oder Munition besitzt, sondern weil die Kampfbereitschaft der Truppen verbraucht sein wird.

Das war schon so im Ersten Weltkrieg: Ab dem Frühjahr 1917 erodierte der Kampfwille bei Franzosen, Russen, Italienern, Deutschen – also bei unterschiedlichen Kriegsakteuren. Ab welchem Maß solche Abnutzungseffekte die kritische Grenze überschreiten, ist schwer zu sagen, darum auch kaum vorhersehbar.

Aber man muss feststellen, dass die Zeit eher gegen die Ukraine arbeitet? Ja, die Ukraine muss zusehen, wo sie Kämpfer herbekommt. Darum schaut sie gerade, wie sie an die jungen ukrainischen Männer herankommt, die sich irgendwo in Europa aufhalten.

Putin hat wohl begonnen, in Indien oder Nepal Söldner zu rekrutieren, um die eigene Bevölkerung im europäischen Teil Russlands aussparen zu können zu schonen. In der russischen Gesellschaft gibt es viele Ein-Kind-Familien. Wenn aus solchen Familien Söhne geholt werden, um sie an die Front zu schicken, von wo sie dann verstümmelt oder tot zurückkehren, wird es sogar für ein Regime wie das russische heikel.

Orbán sagt, der Krieg ist gegen Putin nicht zu gewinnen, darum sollte der Westen möglichst bald über einen Exit reden – Frieden kann man es kaum nennen. Darüber entscheiden allein die Ukrainerinnen und Ukrainer und ihre Regierung.

Einer wie Orbán, der der Ukraine nicht mal Waffen liefert, kann nicht daherkommen und der Ukraine vorschreiben, sie solle Land abtreten, um Frieden zu bekommen. Es geht ja auch um die Frage, wie ein Waffenstillstand abgesichert werden könnte, damit Putin die Pause nicht zur neuerlichen Aufrüstung nutzt.

Man müsste Orbán also eigentlich fragen, ob er die glorreiche ungarische Armee mobilisieren will, um sicherzustellen, dass die Russen nach einem Friedensschluss nicht wieder angreifen. Das zeigt die Absurdität seiner „Friedensmission“. Orbán ist ein Scharlatan auf Friedensmission, weil er nichts in der Hinterhand hat. Er kann der Ukraine keine Garantien geben. Nur gegen Sicherheitsgarantien wird sie zu Zugeständnissen bereit sein.

Das muss auch der Westen begreifen. Wird am Ende in China über den Frieden in der Ukraine entschieden, weil China Russland wirtschaftlich am Leben erhält? China könnte eine solche Macht sein, weil China damit drohen kann, von Russland kein Öl und Gas mehr abzunehmen. Das wäre ein harter Schlag für die russische Fähigkeit, Krieg zu führen.

Indien hat eine ähnliche Position. Der Westen kann aber weder auf China noch Indien viel Druck ausüben, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie noch näher an Russland heranrücken. Angesagt ist hier kluge Zurückhaltung.

Orbán sagt, der Westen denke zu weit, erst einmal gehe es um eine Waffenruhe, dann könne man weitersehen, Hauptsache das Sterben ende. Ist das nicht eine humane Position?

Das Einfrieren des Krieges an der gegenwärtigen Frontlinie hätte einen sehr hohen Preis: Das Verbot von Angriffskriegen in der UN-Charta könnte man auf den Müll werfen. Grenzverschiebungen durch Gewalt wären in Europa wieder möglich. Und es gibt Kandidaten, die Putin nacheifern könnten, vielleicht nicht in so großem Stil, aber ein bisschen: der türkische Präsident Erdogan etwa, Aleksandar Vučić aus Serbien und vielleicht auch Orbán selbst, der gern mit Groß-Ungarn-Schal herumläuft.

Die EU hätte dann ein Riesenproblem an ihrer Südost-Flanke. Und wenn es zu einer solchen Kriegsbeendigung käme, würden nicht nur die ukrainischen Geflüchteten nicht in ihre Heimat zurückkönnen, es würde eine weitere Migrationswelle geben.

Vermutlich wird Ratspräsident Orbán bald auch noch US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump seine Aufwartungen machen. Er hat ihn ja schon öfter einen Friedenspräsidenten genannt und hofft auf einen Deal, wenn Trump die US-Wahlen im November gewinnt.

Was dann? Ich hoffe, dass die US-Demokraten in der Lage sind, noch eine Alternative für Biden zu finden. Denn der ist erkennbar alt und schwach – zumindest erscheint er weniger vital als Trump. Man kann hoffen, dass die Demokratie in den USA gegen Trump noch einmal durchhält, wie sie das in dessen erster Amtszeit getan hat.

Allerdings ist Trump diesmal besser vorbereitet. Und er hat gerade Immunität im Amt vom höchsten Gericht zugebilligt bekommen. Europa müsste sich also darauf einstellen, ohne die USA auszukommen. Das bedeutet, Europa müsste eine eigene atomare Abschreckungsfähigkeit aufbauen und die Waffenproduktion in ganz anderem Umfang hochfahren, um sich auch ohne die USA als Schutzmacht behaupten zu können und nicht von Putin vor sich hergetrieben zu werden.

Die europäische Politik agiert aber gerade, als würde der Kelch Trump an ihr vorübergehen oder eine weitere Amtszeit Trump schon nicht so schlimm werden. Frankreich ist politisch gelähmt, in Deutschland blockiert sich die Ampel selbst. Ich halte das für eine fahrlässige Politik.

Heike Schulze

Ich bin Heike, ein erfahrener Redakteur und der Chefredakteur der Website Hol Aktuell, einer generalistischen Zeitung mit nationalen und internationalen Nachrichten. Mit meiner langjährigen Erfahrung in der Branche sorge ich dafür, dass unsere Leser stets aktuelle Nachrichten mit Strenge und Objektivität erhalten. Meine Leidenschaft für den Journalismus und mein Engagement für qualitativ hochwertige Berichterstattung spiegeln sich in jedem Artikel wider, den wir auf Hol Aktuell veröffentlichen. Es ist mir wichtig, unseren Lesern verlässliche Informationen zu liefern und sie stets auf dem neuesten Stand zu halten.

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