Düsseldorf: Schüler recherchieren Geschichte von Holocaust-Opfer

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Ein Einzelschicksal macht Geschichte greifbar

Gershon Willinger schaut konzentriert auf die Klassenlisten und Karteikarten aus dem Schularchiv des Comenius-Gymnasiums in Oberkassel. Genauestens ist dort dokumentiert, wie sich sein Vater, Guido Willinger, und seine beiden Onkel, Kurt und Ismar Willinger, in den 1910er-Jahren in Mathe, Rechtschreibung oder Sport geschlagen haben.

Was für andere eine nette Anekdote über die Verwandten wäre, ist für Gershon Willinger viel mehr. Es sind Lebenszeichen seiner Vorfahren. Vorfahren, die er nie richtig kennengelernt hat. Vorfahren, die alle Opfer des Holocaust und in den 1940er-Jahren ermordet worden sind.

Die Geschichte der Familie Willinger

Die Geschichte der Familie Willinger

Dass Willinger nun mit 82 Jahren mehr über seine Familie lernt, ist einer Geschichts-AG der Comenius-Schüler zu verdanken. Am Montag trafen sie das erste Mal aufeinander. „Es ist fast unwirklich. Ich hätte mir nie erträumt, solche Dokumente zu sehen“, sagt Willinger im Gespräch mit den zehn Schülern, die seine Familiengeschichte recherchiert haben.

Er ist mit seiner Frau Jane aus dem kanadischen Toronto angereist und besucht eine Woche lang die Düsseldorfer Schüler. Sie zeigen ihm Klassenbücher, Fotos und Karteikarten mit Schülerdaten, die sie im Schularchiv finden konnten. Sie seien der Beweis, dass es Ismar, Kurt und Guido Willinger tatsächlich gegeben hat. Dass sie normale Schüler waren, wie alle anderen auch.

Die Umbenennung des Rosa-Willinger-Platzes

Die Umbenennung des Rosa-Willinger-Platzes

Am Dienstag, 18. Juni, wird der nördliche Teil des Luegplatzes in Oberkassel in Rosa-Willinger-Platz umbenannt. Der Platz sei „prominent an der Rheinbrücke gelegen und in unmittelbarer Nähe zum damaligen Haus der Familie in der Leostraße 7“, sagt Studiendirektor für Geschichte und AG-Leiter Markus Bußmann.

Die Umbenennung soll eine Pionierin weiblichen Unternehmertums in Düsseldorf ehren und sie sowie ihre Geschichte sichtbar machen.

Die Geschichte von Rosa Willinger

Die Geschichte von Rosa Willinger

Rosa Willinger, Gershon Willingers Großmutter, führte in Düsseldorf zwischen 1912 und 1916 ein Damen-Konfektionsgeschäft an der Graf-Adolf-Straße. Zu einer Zeit, in der Frauen noch nicht wählen durften, lief das Geschäft namens „Louvre“ unter ihrem Namen. „Offenkundig besaß sie also einen Sinn für PR und Internationalität“, bilanziert Bußmann.

Auch Rosa Willinger wurde in einem Konzentrationslager getötet. Am Montag verlegten die Schüler einen Stolperstein für Rosa Willinger an ihrem Wohnhaus in der Leostraße in Oberkassel.

Die Botschaft von Gershon Willinger

Was er den Schülern mitgeben möchte? „Versucht zu lieben und nicht zu hassen.“

Gershon Willinger selbst überlebte als Kleinkind zwei Konzentrationslager und den Zweiten Weltkrieg. Seine Eltern, Onkel, seine Großmutter und viele Verwandte dagegen nicht. Als Waise bei Pflegefamilien in den Niederlanden aufgewachsen, habe er lange nur wenig über seine Familie gewusst. „Die meisten haben nie darüber gesprochen“, sagt Willinger.

Heute wird er als einer der letzten Zeitzeugen nicht müde, über das Erlebte und die Folgen des Holocaust zu sprechen.

Holger Hofmann

Ich bin Holger, ein erfahrener Redaktionsleiter von Hol Aktuell, einer generalistischen Zeitung mit nationalen und internationalen Nachrichten. Mein Team und ich sind bekannt für unsere strenge und objektive Berichterstattung. Mit meiner langjährigen Erfahrung als Journalist habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, unseren Lesern stets aktuelle und relevante Informationen zu bieten. Meine Leidenschaft für den Journalismus treibt mich jeden Tag an, die besten Geschichten zu finden und sie professionell aufzubereiten.

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