Warum wir Menschen nicht nur zur Fußball-EM das Orakeln lieben

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Fußball und Orakel: Eine unbequeme Wahrheit

Fußball ist ungefähr so berechenbar wie das Leben. Also im Großen und Ganzen eher gar nicht. Im Vorfeld eines Spiels ist dieser unschöne Umstand besonders dann fies, wenn der Sieg eines Teams erheblich zum eigenen Lebensglück beiträgt. Blöde Situation also. Was tun? Klar, wir orakeln.

Die Orakel der Gegenwart

Die Orakel der Gegenwart

Und zu unsicheren Großereignissen wie der Fußball-Europameisterschaft orakeln wir sogar, was das Zeug hält. Genauer: Was auf keine Kuhhaut geht, denn interessanterweise sind die Orakel der Gegenwart überwiegend tierischer Abstammung. Klar, die Krake Paul kennt jeder, die bei der WM vor 14 Jahren im Oberhausener Aquarium als Orakel saubere Arbeit ablieferte.

Okay, in Münster tapert noch Tapir Theo weissagend durchs westfälische Gehege; in Gelsenkirchen – also auf Schalke – jagen Erdmännchen hinter Bällen her. Das machen die Knirpse vor allem deswegen, weil die Bälle mit Mehlwürmern gefüllt werden. Was aber, wenn die wahren Orakel eigentlich die Mehlwürmer sind beziehungsweise gewesen sind?

Die Psychologen und das Orakel

Leute! Apropos Leute: Übers Orakeln haben sich natürlich auch schon Psychologen hergemacht, die alles Unerklärliche erklären können, wobei wir, die Betroffenen, nicht immer gut wegkommen. Dann ist gleich von Kontrollzwang die Rede, von der Neigung, unbeeinflussbare Situationen doch überwindbar zu machen und für ein bisschen Klarsicht im Getümmel zu sorgen.

Wobei jene Berufsstände sich als besonders anfällig erweisen, die häufig allerhand Unberechenbarkeiten ausgesetzt sind. Wie Seeleute und Bauern, Soldaten, Schauspieler – und eben Fußballer.

Das Wort Orakel

Das Wort stammt aus dem Lateinischen: „Oraculum“ heißt „Götterspruch und Sprechstätte“ – und leitet sich ab von orare „sprechen, beten“. Ein Orakel soll seit der Antike wichtige Zukunfts- oder Entscheidungsfragen zu beantworten helfen.

Das berühmteste ist das Orakel von Delphi.

Krake Paul

Bei der Fußballweltmeisterschaft 2010 hat die Krake Paul aus Oberhausen acht Mal richtig vorausgesagt: fünf Siege der deutschen Nationalmannschaft, zwei Niederlagen der deutschen Elf sowie das Ergebnis des Endspiels.

Die Orakel der Antike

Der ungewisse Ausgang eines Fußballspiels macht den Sport zu einer Angelegenheit der Transzendenz. Auch darin waren die guten, alten Orakel erprobt. Erlaubt sei ein kleiner Ausflug in die griechische Antike und zum damaligen Hotspot aller Weissagungen – also nach Delphi.

Wer Rang und Namen und vor allem Schiss vor der Zukunft hatte, pilgerte zu dieser Kultstätte. Unter ihnen Brutus und Krösus, Ödipus und Alexander der Große. Sie alle bekamen zu hören, wie es mit ihnen so weitergeht, wobei die hohe Trefferquote der dort beschäftigten Priester wahrscheinlich auf einen gehörigen Rausch zurückgeht.

Die christliche Kirche und das Orakel

Noch aber sind sich die Forscher nicht ganz einig, ob nur ein Trancezustand sie zum Sehen befähigte oder das dort wohl ausgetretene Gas Ethylen mit neurotoxischen Wirkungen. Es sei.

Besonders sinnreich aber war der Spruch über der Kultstätte: „Erkenne dich selbst.“ Was soll der Quatsch? Wir wollen in diesen Tagen doch nicht ernsthaft uns selbst auf die Schliche kommen, sondern schlicht und einfach wissen: Ob wir gewinnen, vielleicht noch: wie hoch? Wegen meiner auch: Wer schießt die Tore? Ist das schon zu viel verlangt?

Der französische Mönch und Theologe Abaelard (1079-1142) hat sich zum Orakel von Delphi dann seine eigenen Gedanken gemacht, was die christliche Kirche nicht sonderlich schätzte. Weil hinter dem Imperativ „Erkenne dich selbst“ der zarte Hinweis steckt, sich auch ethisch nicht irgendwelchen Vorschriften bedingungslos zu unterwerfen, sondern auf die eigene Stimme zu hören und daraus das eigene Handeln abzuleiten.

Die Propheten

Dabei ist das Orakel zwar antiken Ursprungs, aber keineswegs nur heidnischer Natur. Die Bibel – und vor allem das Alte Testament – ist voll von Weissagungen und Prophezeiungen. Und die Verkünder besaßen und besitzen nach christlichem Verständnis bis heute allerhöchste Beglaubigung: Sind sie doch die Vermittler von Gottes Willen.

Das Wesen Gottes wird durch die Propheten offenbart. Es gibt für die Verkündigung des Glaubens keinen direkteren Draht. Auch darum gibt es nicht nur in der christlichen Kirche Propheten. Zu den fünf Säulen des Islam etwa gehört an erster Stelle dieses Glaubensbekenntnis: „Es gibt keinen Gott außer Allah – Mohammed ist sein Prophet.“

In der Kirche hatte das Orakelwesen keinen guten Ruf, weil immer die Gefahr bestand, dass auch andere Götter um Rat von irgendwelchen Sehern befragt werden konnten. Zudem ist mit der Ausschüttung des Heiligen Geistes und der göttlichen Offenbarung das Prophetentum im Grunde vorbei und Geschichte.

Das heißt nicht, dass es damit auch aus der Welt wäre. Ein späterer Weissager erlangte Ruhm und Berühmtheit sogar bei einem Sportereignis. Wir schreiben das Jahr 1559: Damals starb bei einem Turnier König Heinrich II. Sein Gegner hatte ihm mit der Lanze einfach ins Auge gestochen. Und genau das hatte ein Apotheker und Sterndeuter vier Jahr zuvor schon vorausgesagt.

Und weil diese Fähigkeit ihn mächtig berühmt machte, erweiterte er das Spektrum seiner Hellsichtigkeit bis ins Jahr 3797. Sein Name: Nostradamus.

So brutal wird es bei der Europameisterschaft nicht zugehen. Wobei das eine oder andere Spiel durchaus ins Auge gehen kann. Warum nicht mal die Mehlwürmer aus Schalke befragen?

Holger Hofmann

Ich bin Holger, ein erfahrener Redaktionsleiter von Hol Aktuell, einer generalistischen Zeitung mit nationalen und internationalen Nachrichten. Mein Team und ich sind bekannt für unsere strenge und objektive Berichterstattung. Mit meiner langjährigen Erfahrung als Journalist habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, unseren Lesern stets aktuelle und relevante Informationen zu bieten. Meine Leidenschaft für den Journalismus treibt mich jeden Tag an, die besten Geschichten zu finden und sie professionell aufzubereiten.

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