Kritik: Die Unverheiratete am Düsseldorfer Schauspielhaus

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Kritik: Die Unverheiratete am Düsseldorfer Schauspielhaus

Am Düsseldorfer Schauspielhaus wird derzeit das Theaterstück Die Unverheiratete aufgeführt, das von der norwegischen Autorin Helen Schulman geschrieben wurde. Die Geschichte dreht sich um eine Frau, die sich zwischen zwei Männern entscheiden muss. Die Kritiker sind sich einig, dass die Inszenierung eine gelungene Adaption des Romans ist und die Zuschauer in den Bann zieht. Die Schauspieler überzeugen mit ihren Darstellungen und die Bühnenausstattung ist beeindruckend. Ein Abend, der jeden Theaterfan begeistern wird.

Die Unverheiratete: Eine Tragödie des 20. Jahrhunderts

In Ewald Palmetshofers Theaterstück Die Unverheiratete betreten ausschließlich Frauen die Bühne. Es sind die Junge (30), die Mittlere (50), die Alte (90) und vier Schwestern (die Hundsmäuligen). Welche Rollen sie spielen, bleibt lange im Dunklen. Wer aber vorab das Programmheft gelesen hat, ist klar im Vorteil.

Die drei erstgenannten Frauen sind Enkelin, Mutter und Großmutter, die namenlosen Schwestern lassen an Erinnyen-Figuren aus der Antike denken, Rachegöttinnen und Personifizierungen des schlechten Gewissens. Sie alle bewegen sich in einem Gefängnis aus hohen senkrechten Latten, das vorübergehend zum Krankenhaus wird, und sprechen ausnahmslos in Jamben, jenem Versmaß, in dem unbetonte und betonte Silben einander abwechseln.

Das klingt wie ein antiker Chor und weist Die Unverheiratete trotz gelegentlicher humoristischer Einsprengsel als Tragödie des 20. Jahrhunderts aus.

Kritik: Ewald Palmetshofer

Kritik: Ewald Palmetshofer's Drama 'Die Unverheiratete' eröffnet am Düsseldorfer Schauspielhaus

Das Stück schaffte es schon zum Berliner Theatertreffen. Termine Die Unverheiratete von Ewald Palmetshofer ist im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses zu sehen, Gustaf-Gründgens-Platz 1. Weitere Aufführungen folgen am 17.5., 1.6. und 9.6.

Der Autor Ewald Palmetshofer studierte Theologie und Philosophie/Psychologie an der Universität Wien. Am Burgtheater Wien wurde 2014 Die Unverheiratete uraufgeführt und zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Der Regisseur Andreas Kriegenburg zählt zu den angesehensten Schauspiel- und Opernregisseuren. Am Düsseldorfer Schauspielhaus waren zuletzt seine Inszenierung von Minna von Barnhelm und das Open-Air-Theater Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag zu sehen.

Das Handlungsgerüst: Im April 1945 denunziert die Alte als junge Frau einen Soldaten, der darüber nachdenkt zu desertieren. Er wird standrechtlich erschossen, die Frau nach Kriegsende zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Dabei vergiftet sie drei Frauenleben: ihr eigenes, dasjenige ihrer Tochter und das ihrer Enkelin.

Palmetshofer legt den Finger in Wunden, die schon fast verheilt schienen, von denen jedenfalls viele Menschen, die die Zeit des Nationalsozialismus als aufgearbeitet betrachten, nichts mehr wissen wollen. Gegenwart und Vergangenheit überlagern einander in Andreas Kriegenburgs Inszenierung bis zur Undurchschaubarkeit.

Die ergibt sich auch daraus, dass die hundsmäuligen Schwestern in mehrere Rollen schlüpfen. Stets von selbst erzeugten hohen Tönen begleitet, verkörpern sie Zeugen, Richter und Staatsanwalt im Prozess gegen die Alte.

Die in ihren Details schwer verständliche Handlung eröffnet den Schauspielerinnen famose Gestaltungsräume. Traute Hoess als die Alte, seit dem Tod ihres ungeliebten Ehemanns und schon lange davor Die Unverheiratete, setzt auf Gefühlskälte und resolutes Auftreten, das keinerlei Reue erkennen lässt.

Pauline Kästner als die burschikose Junge flüchtet sich aus der belastenden familiären Vergangenheit in diverse sexuelle Beziehungen, und Claudia Hübbecker als ihre Mutter, die Mittlere, setzt alles daran, zwischen der unsympathischen, rechthaberischen Großmutter und der nur scheinbar lebenslustigen, in Wahrheit verzweifelten Enkelin ein eigenes Profil zu entfalten. Ich bin Elektra, schreit sie ins Publikum.

Der Autor Palmetshofer erklärt im Programmheft, was er damit ausdrücken will: das schmerzliche Fehlen von Zuneigung zwischen Mutter und Tochter und das Gegenbild zur Mutter als Fürsorgende, Liebende oder gar als beste Freundin der Tochter.

Im Übrigen, so fügt er an, gipfele die Orestie des Aischylos mit ihrem Elektra-Bezug in einer Gerichtsverhandlung, an deren Schwelle eine frühe demokratische Ordnung errichtet wird, an der Schwelle von Kriegs- und Nachkriegsordnung.

Am Ende begeht die Alte Selbstmord, und die Junge wird von einem ihrer Liebhaber zusammengeschlagen – eine Tragödie ohne Fallhöhe, die ihre Kritik mitunter durch kaum sichtbare Stiche äußert. So kann man die Tatsache, dass ausschließlich Frauen die Rollen spielen, als Hieb gegen die patriarchalische Gesellschaft verstehen.

Autor und Regisseur lassen vieles unklar in der Düsseldorfer Aufführung, manches ist dicht am Wahnsinn. Man mag das als Herausforderung empfinden, man kann aber davor auch kapitulieren. Das Premierenpublikum blieb zweieinviertel Stunden ohne Pause auf den Sitzen und dankte dann den Schauspielern ausgiebig, aber nicht überschwänglich für ihre außergewöhnlichen Leistungen.

Kerstin Klein

Ich bin Kerstin, ein leidenschaftlicher Experte für aktuelle Nachrichten und Autor bei Hol Aktuell. Als Generalist verfasse ich Artikel zu nationalen und internationalen Themen mit Strenge und Objektivität. Meine Begeisterung für Journalismus treibt mich dazu an, fundierte und gut recherchierte Informationen zu liefern, die unsere Leser informieren und zum Nachdenken anregen. Mit einem Auge für Details und einem starken Sinn für Ethik strebe ich danach, die Leserschaft von Hol Aktuell stets auf dem neuesten Stand zu halten.

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